Dr. Jessica Lindner

Würdigung der Leistung

Den Preis der Stadt Bayreuth erhält Jessica Lindner für ihre mit summa cum laude ausgezeichnete Promotion, in der sie sich mit dem Schriftspracherwerb des Deutschen in verschiedenen Spracherwerbskontexten befasste. Der Titel der Arbeit lautet: „Die Ausprägung spezifischer Vorläuferfähigkeiten und deren Einfluss auf den Schriftspracherwerb im Deutschen im Kontext des monolingualen und bilingualen Erstspracherwerbs sowie des Zweitspracherwerbs. Eine empirische Longitudinalstudie zweier Kohorten im ersten Grundschuljahr – auch unter dem Blickwinkel einer regulären und einer pandemischen Beschulung“. Durch eine herausragende wissenschaftliche Qualität sowie durch die zukunftsweisende bildungspolitische und gesellschaftliche Relevanz überzeugte Frau Lindner drei Gutachterinnen mit ihrer Arbeit.

Mehrsprachige Kinder sind keine Ausnahmefälle mehr im deutschen Schulalltag, allerdings schneiden diese schulisch weiterhin schlechter ab als ihre einsprachig aufwachsenden Mitschülerinnen und Mitschüler. Weder die Zweitspracherwerbs- noch die Leseforschung erklären dies zufriedenstellend. Vielmehr wird laut Lindner von einem Zusammenspiel verschiedener (Risiko-)Faktoren ausgegangen, die weit über den Migrationsstatus und die Spracherwerbssituation hinausweisen und von denen Kinder mit Migrationshintergrund deutlicher häufiger betroffen sind: die bildungsbezogene, soziale und finanzielle Situation der Familie. Um bildungspolitisch die Chancengleichheit aller Kinder zu erhöhen, muss das Bildungsangebot deutlich stärker auf die spezifischen Bedürfnisse und Kompetenzen einer mehrsprachigen Schülerschaft in der Migrationsgesellschaft ausgerichtet werden. Dazu sind Forschungsarbeiten notwendig, die den Schriftspracherwerb unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit untersuchen und die individuellen, sprachlichen und soziokulturellen Voraussetzungen der Lernenden in den Fokus rücken. Hier setzt die Arbeit von Frau Lindner an. Sehr konsequent und überzeugend leitet sie aus bestehenden Forschungsdesiderata neun konkrete Forschungsfragen für ihre empirische Studie ab. Laut Professorin Paule ist es besonders beeindruckend, dass es Frau Lindner sowohl gelungen ist, die Datenerhebung mit über 200 Kindern unter den Bedingungen der Covid-Pandemie durchzuführen, als auch die veränderte schulische Lehr-Lern-Situation konstruktiv und äußerst produktiv in ihre Studie einzubinden – ein großer Erfolg in dieser risikobehafteten Forschungssituation.

Wichtigste Stationen des Lebenslaufes

Jessica Lindner wurde 1990 in Starnberg geboren. Nach ihrem Abitur studierte sie an der Ludwigs-Maximilians-Universität München Lehramt Grundschule (Abschluss Staatsexamen) sowie den internationalen Master-Studiengang „Deutsch als Fremdsprache“. Es folgten Tätigkeiten u.a. als Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bayreuth (Lehrstuhl Didaktik der deutschen Sprache und Literatur), als E-Tutorin bei der Virtuellen Hochschule Bayern und als Projektleiterin bei der Stiftung Kick ins Leben. Seit Abschluss ihrer Promotion bleibt Jessica Lindner der Universität Bayreuth als Lehrbeauftragte im Fachbereich Didaktik des Deutschen als Zweitsprache verbunden.